Zur Emanzipation der Klasse/Frauen

Tweet von @SFgezwitscher:

Neu auf dem SF: Der Gedanke der Frauenemanzipation in der Geschichte goo.gl/fb/fOnpN

Im Spiegelfechter-Artikel schreibt Stefan Sasse:

Die Frauen stellen zu keiner Zeit einen monolithischen Block mit einheitlichen Interessen dar. Die Behauptung des Gegenteils durch den Feminismus beruht auf dem gleichen Denkfehler wie Marx’ Theorie, die Bourgeoisie und Proletariat einheitliche Klasseninteressen zusprach. Beide konnten nie verstehen, warum sich Teile der von ihnen imaginierten Klassen ihrer Utopie entzogen.

Der Grund dafür liegt schlicht darin, dass die Gesellschaft komplexer aufgebaut ist, als die Vordenker dieser Bewegungen (die sich teilweise verblüffend ähneln) es wahrhaben wollten.

Der Autor behauptet einen Denkfehler bei Marx und nicht genannten Vordenkern des Feminismus: Frauen und Klassen seien keine monolithischen Blöcke mit einheitlichen Interessen. Als Begründung führt er an: Die Gesellschaft sei komplexer aufgebaut.

Damit ist noch kein Denkfehler nachgewiesen.  Im Gegenteil verweist das Argument auf eine Denkleistung: die Vielfalt der Phänomene nicht als Chaos wahrzunehmen, sondern in der Vielfalt das Allgemeine zu finden. Man nennt das auch Begriffsbildung.

Die Argumente, dass Gesellschaften komplexer seien und Menschen unterschiedliche Interessen hätten, sind soziologisch und psychologisch motiviert, verfehlen jedoch den Marx’schen Klassenbegriff. Marx‘ Interesse galt nicht der Gesellschafts- oder Seelenzergliederung, sondern der ökonomischen Analyse.

Ökonomisch lassen sich Klassen durchaus plausibel als widerstreitende Parteien mit je einheitlichen Interessen begreifen: Wenn es Menschen gibt, die Produktionsmittel besitzen, und Menschen, die keine Produktionsmittel besitzen, dann sind das wesentliche Merkmale, mit denen sich Klassen bestimmen lassen. Ob sich die Klassen dann noch weiter untergliedern lassen, zum Beispiel in Tagelöhner und Angestellte, trägt zum Verständnis der ökonomischen Prinzipien nichts bei. Weiterhin ist es unwesentlich, dass die Angehörigen einer Klasse individuell vielfältige Interessen haben können. Theoretisch bedeutsam sind allein jene Interessen, die allen Angehörigen einer Klasse gemeinsam sein müssen. Auch diese je einheitlichen Interessen dürften plausibel sein: Ein Kapitalist muss ein Interesse daran haben, für Arbeitskraft möglichst wenig zu zahlen; und ein Arbeiter muss ein Interesse daran haben, seine Arbeitskraft möglichst teuer zu verkaufen. Das ist die Logik des Marktes.

Ebenso ist es in der Geschlechterforschung theoretisch sinnvoll, Männer und Frauen als Gender mit je einheitlichen Interessen zu beschreiben. Aus feministischer Sicht ist es nämlich unwesentlich, dass Frauen nicht nur von Männern, sondern auch von Frauen unterdrückt werden. Wesentlich ist die feministische Grundfrage: Werden Frauen wegen ihres Frauseins benachteiligt oder nicht?